Einfach nur Bart ab, das ist keine Herausforderung für einen Barbier. Er zelebriert die Rasur. Das fast vergessene Handwerk des Bartscherens feiert seine Renaissance. In schicken Barber Shops wird gestutzt und geplaudert, so wie es schon früher Sitte war. Lange bevor High-Tech-Rasierer der ur-männlichen Prozedur ihre Würde und ihren Wellness-Faktor nahmen.
Mit geschärften Steinen hielten die alten Ägypter ihr Konterfei barthaarlos, bevor sie im vierten Jahrhundert zu Kupfer- und Goldmesser griffen. Dass es nicht zu blutigen Unfällen kam, war schon damals den Barbieren zu verdanken. Ein ehrbarer Beruf, der auch im antiken Griechenland äußerst populär war. Zwar trugen die Griechen Bart und Haar gerne gewellt, aber auch das musste professionell gelockt und in Fasson gebracht werden. Im alten Rom fand man allerorts Friseursalons, die „Tonstrinae“. Für die eitlen, bartlosen Römer der perfekte Platz, um sich zu verschönern, zu tratschen oder Geschäftliches zu besprechen. Besonders angesagt war Licinius, ein VIP-Friseur und etwa 300 v.Chr. the place to be in Rom. Auch im arabischen Raum hat die kunstvolle Rasur eine lange Tradition und wird bis heute liebevoll gepflegt. Hier wird nicht nur mit dem Messer Hand an die Gesichtsbehaarung gelegt, auch Feuer und Faden spielen oft eine Rolle. Mit beidem können Flaum und feine Härchen schnell und effektiv entfernt werden.
FOR GENTLEMEN ONLY
Heute ist der Besuch des Barbiers für den pflegebewussten Herrn nicht nur nützlich, sondern auch extrem entspannend. Eigentlich paradox: Für Männer ist es ein Wellnesserlebnis, sein Schicksal einem Geschlechtsgenossen mit einem ultrascharfen Messer anzuvertrauen. Dass bei einem traditionellen Barbierbesuch meist nur Herren erwünscht sind, auch das hat eine lange Tradition. Die Kunden dürfen im schicken Ambiente – gerne nostalgisch oder ultrastylisch – kultiviert relaxen. Mindestens zwanzig Minuten dauert die schnittige Prozedur, kommen noch Facials hinzu, auch mal bis zu einer Stunde.
Ein guter Barbier rasiert nicht einfach drauf los. Zunächst analysiert er die Hautbeschaffenheit und die Wuchsrichtung der Barthaare. Mit heißen Tüchern wird die Haut auf die Rasur vorbereitet, das öffnet die Poren und macht die Barthaare weicher. Wer möchte, gönnt sich noch ein Peeling, das entfernt abgestorbene Hautschüppchen, lässt den Teint strahlen und beugt eingewachsenen Barthaaren vor. Erst jetzt kommt die Rasierseife zum Einsatz. Der Schaum wird mit dem nassen Rasierpinsel erzeugt, ob nun in einer Rasierschale oder in einem Seifentiegel. Der Pinsel ist idealerweise aus Naturhaar. Bevorzugt wird Dachshaar, der edle Klassiker schlechthin. Dachshaar ist besonders fein und elastisch, es kann Wasser gut speichern, bleibt aber dabei dennoch fest und geschmeidig zugleich. Außerdem erzeugen die langlebigen Dachshaarpinsel einen besonders cremigen Schaum. Dieser wird gegen die Haarwuchsrichtung aufgetragen, so stellen sich die Barthaare auf und können gründlicher und einfacher abrasiert werden.
MESSERSCHARF
Das Einschäumen ist nur die Ouvertüre, wenn das Rasiermesser zum Einsatz kommt, wird´s ernst. Das Tool sollte selbstverständlich hochwertig und die empfindliche hohl- oder vollgeschliffene Klinge megascharf sein. Ein guter Barbier pflegt und hegt sein Messer, auch zum Wohle des Kunden. Denn wird die Klinge feucht und rostet, kann das blutige Blessuren zur Folge haben. Das Messer wird nur zum Rasieren aufgeklappt und bei Nichtgebrauch sofort geschlossen. Die sogenannte Angel am Ende des Messers ist so gebogen, dass der Barbier den kleinen Finger hineinlegen kann. Mit der Klinge streicht er die Wangen von oben nach unten entlang, in Haarwuchsrichtung. Dabei wird die bearbeitete Hautpartie mit Daumen und Mittelfinger gespannt. Bei Barträgern achtet der Barbier für ein gepflegtes Erscheinungsbild auf exakte Konturen. Nach der Rasur sorgen kalte Kompressen für das Schließen der Poren, eine Rasiercreme beruhigt die gereizte Haut. Auf Wunsch werden auch die Haare geschnitten, die Augenbrauen in Form gebracht sowie Nasen- und Ohrenhaare getrimmt.
Die Rasur im heimischen Bad ist rein funktional. Ein Besuch beim Barbier hingegen ist eine kultivierte Auszeit vom Alltag, himmlisch entspannend und wohltuend pflegend. Auf absolut männliche Weise, versteht sich.
Text: Petra Dietz
Beitragsfoto “Barber”: Renee Olmsted