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Abu Dhabi Falcon Hospital

Sie fliegen First Class, schlemmen Wachteln, erhalten die bestmögliche Rundumversorgung und werden leidenschaftlich verehrt. Jagdfalken haben in der arabischen Welt den Stellenwert von Familienmitgliedern. Wird ein Tier krank, dann ist es der Besitzer auch – vor Sorge. Ein Fall für Dr. Margit Gabriele Müller, Leiterin der weltgrößten Falkenklinik in Abu Dhabi. Die deutsche Tierärztin weiß mit Falken – und Menschen – umzugehen.

So etwas wie einen Feierabend kennt Dr. Margit Müller nicht. Nicht selten wird ihre Nachtruhe von einem Falkennotfall gestört. Für die Tierärztin nichts Besonderes. Sie lebt für die prächtigen Raubvögel, die in der königlichen Falkenklinik in Abu Dhabi die bestmögliche medizinische Versorgung erhalten.

Nur das Beste für die gefiederten Patienten

Die Falken thronen im vollen Wartezimmer auf Stangen, die mit Kunstrasen überzogen sind, das schont die empfindlichen Füße der Greifvögel. Um die Tiere nicht zu stressen, und zu verhindern, dass sie auf ihre Leidens- und Artgenossen losgehen, tragen sie Lederhauben über dem majestätischen Kopf. Nicht immer sind die Falken ernsthaft krank, einige kommen nur zur Krallen- und Schnabelpflege oder zum Check-up. Kleine Eingriffe, wie beispielsweise die Implantation von Federn, werden ambulant durchgeführt. Schwerere Fälle, beispielsweise Flügelbrüche oder Lungenerkrankungen, erfordern eine stationäre Behandlung. Dafür ist das Falkenhospital bestens ausgestattet. Fast wie in einem „richtigen“ Krankenhaus finden auch hier regelmäßig Visiten statt. Auch an der notwendigen Infrastruktur mangelt es nicht, es gibt einen Röntgenraum, Operationssäle, eine Intensiv- und Quarantänestation und sogar eine Leichenhalle. Fast hundert Mitarbeiter kümmern sich im Hospital um das Wohl der Tiere. Die fünf Ärzte des Teams können sich über Langeweile nicht beschweren, etwa 6000 Falkenpatienten werden in der Klinik jährlich behandelt. Die Falken erhalten die bestmögliche medizinische Versorgung. Sind sie fit genug, dürfen sie in der riesigen klimatisierten Freiluftvoliere fliegen, die für bis zu 100 Falken ausgelegt ist.

Von München nach Abu Dhabi

Das Wappentier der VAE hat Dr. Margit Müller bereits fasziniert, als sie noch im Freistaat Bayern und nicht im Wüstenstaat Abu Dhabi lebte. Ihre Doktorarbeit, die sie an der Universität München machte, widmete sie den geschickten Jägern. Als Margit Müller dann 2001 eine Stelle im Abu Dhabi Falcon Hospital angeboten wurde, erhielt die Tierärztin damit auch die einmalige Chance, Beruf und Berufung zu verbinden. Nächtliche Einsätze, die Rettung von schier aussichtslosen Notfällen, die erfolgreiche Durchführung von komplizierten Eingriffen – die Anerkennung und den Respekt der männlichen Falkenbesitzer hat sie sich verdient. Zahlreiche Auszeichnungen schmücken die Wände des Falkenhospitals. Seine Hoheit Scheich Mohammed bin Zayed Al Nahyan überreichte Margit Müller 2008 den Abu Dhabi Award für ihre Verdienste um die Falken.

Margit Müller hat aber nicht nur ein Herz für Greifvögel, mittlerweile kümmert sie sich auch um herrenlose Katzen und Hunde. Gemeinsam mit einer Tierschutzorganisation vermittelt sie die Tiere in ein neues Zuhause.

Familienmitglied und Kulturerbe

In der Wüste überleben, heißt, mit ihr zu leben. So handhabten das die Beduinen in früheren Zeiten, vor dem Ölreichtum. Sie hielten sich Falken, um das karge und eintönige Speiseangebot aufzupeppen. Die abgerichteten Raubvögel erbeuteten mal einen Hasen oder eine Trappe und sorgten so für Frischfleisch. Um diese Jahrtausende alte Tradition zu schützen und zu fördern, wurde die Falknerei 2010 von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Die Verehrung der stolzen Greifvögel ist in den arabischen Golfstaaten auch heute noch ungebrochen. Vor allem Weibchen sind als „Hausfalken“ begehrt. Sie sind nicht nur größer als ihre männlichen Artgenossen, sie sind auch ausdauernder bei der Jagd. Die Falken nehmen wie selbstverständlich am Familienleben teil, und das ist wortwörtlich zu verstehen. Sie sitzen mit im Wohnzimmer, werden wie Kinder verwöhnt und umsorgt. Das Wohl der Tiere liegt den Besitzern am Herzen. Wenn ihnen etwas zustößt, nehmen sie auch eine weite Anreise in Kauf, damit Dr. Margit Müller sich ihres Schützlings annimmt. Die Falkenklinik in Abu Dhabi ist über die Grenzen der Emirate hinaus bekannt. Für die edlen und kostbaren Tiere, Preise bis zu 60.000 USD und mehr sind möglich, ist ihnen kein Aufwand zu hoch.

Das Falkenglück liegt in der Wüste

Die Leiterin der Falkenklinik sorgt sich um das Wohl ihrer Patienten, in jeglicher Hinsicht. Nicht nur Krankheiten werden geheilt, Blessuren behandelt und Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt, auch die Haltung der Falken liegt der Tierärztin am Herzen. Viele Vögel werden nicht ausreichend bewegt, das zieht häufig Erkrankungen der Füße nach sich, auch neigen sie dann zu Übergewicht. Die Tiere müssen täglich, morgens und abends, in der Wüste trainiert und bewegt werden. Jagen dürfen die Raubvögel in den Emiraten allerdings nicht, das ist dort verboten. Daher reisen viele Besitzer mit ihren Tieren in Länder, wo dies erlaubt ist, wie Marokko oder Pakistan. Das ist Dank des von Margit Müller entwickelten Falkenpasses möglich, denn ohne Ausweis dürften die streng geschützten Tiere das Land nicht verlassen. Die „Müller-Patienten“ sind ordnungsgemäß registriert, einige besitzen sogar einen implantierten Mikrochip. Die Greifvögel reisen im Flieger, natürlich standesgemäß. Der Falke thront auf seinem eigenen Sitz, gleich neben dem Besitzer, natürlich am Fenster, damit er von vorbeigehenden Passagieren nicht gestört wird.

„Wähle dir einen Reisebegleiter und dann erst den Weg“, lautet ein arabisches Sprichwort. Der Falke führt seinen Weggefährten in die Wüste. Zurück zu den Traditionen der Beduinen, zurück zu den Wurzeln von Mensch und Falke.
Text: Petra Dietz

www.falconhospital.com

Fotos: ©Abu Dhabi Falcon Hospital, ©TCA Abu Dhabi